Sie möchten sich, auch in Ihrer Funktion als Vizepräsident, für eine Stärkung des Europaparlaments einsetzen. Wo sehen Sie Entwicklungspotential?
Parlamente sind das Herzstück einer jeden Demokratie. Die Rolle der Bürgerkammern sollte deshalb überall gestärkt werden. Ich will, dass das Europaparlament bei jeder wichtigen Entscheidung auf
europäischer Ebene mit an Bord ist. In den letzten Jahren ist bereits einiges weitergegangen. Die Kontrollfunktion des Europaparlaments gegenüber der Kommission wird aktuell wieder sichtbar: Noch
vor den Hearings in den Fachausschüssen, hat der Rechtsausschuss zwei designierte Kommissionsmitglieder abgelehnt. Die Ausschüsse für Binnenmarkt und Industrie haben eine dritte Kandidatin
gestoppt. Das war schon in der Vergangenheit mehrfach der Fall. Auch die neue Kommissionspräsidentin musste vom Parlament bestätigt werden, man hat gesehen, dass dies keine Selbstverständlichkeit
ist. Das Parlament muss sein Selbstverständnis teilweise adaptieren. Wir müssen noch mehr als Bürgerkammer Europas auftreten und den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen. Leider schieben
nationale Regierungsmitglieder oft Brüssel die Schuld zu, obwohl sie bei jeder Entscheidung mit dabei sind – oft sogar selbst dafür stimmen. Das Europaparlament hat es hier nicht einfach, aber
die Informations- und Kommunikationspolitik sowie die Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern werden sehr entscheidend sein. Deshalb freue ich mich auch, dass genau diese Themen in meine
Zuständigkeit als Vizepräsident fallen.
Wo liegen Ihre Kernkompetenzen, welche Themen finden bei Ihrer Arbeit im Europaparlament besondere Aufmerksamkeit?
Seit Beginn meiner Tätigkeit als Abgeordneter zum Europäischen Parlament bin ich im Ausschuss für Wirtschaft und Währung vertreten. Ich war zum Beispiel Verhandlungsführer des Europäischen
Parlaments für die Bankenregulierung und im Auftrag des Europaparlaments verantwortlich für die Überprüfung der Arbeit der so genannten „Troika“aus EU-Kommission, EZB und IWF, die die Einhaltung
und Umsetzung der Sparauflagen in Griechenland, Portugal, Zypern und Irland kontrolliert hat. Hier gibt es weiterhin große Herausforderungen, wie z.B. der gemeinsame Kampf gegen Geldwäsche. Ich
bin aber auch in jenem Ausschuss vertreten, der sich mit der Forschung befasst. Bildung und Forschung sind für mich essentiell, um unsere Zukunft zu gestalten, z.B. in Fragen des Klimaschutzes.
Das Europaparlament hat bereits vor wenigen Wochen eine Aufstockung des Budgets für das Forschungsförderungsprogramm ‚Horizont 2020‘ beschlossen. 2/2 Natürlich liegt aber ein starker Fokus auf
meinen Zuständigkeiten als Vizepräsident des Europäischen Parlaments. In den nächsten zweieinhalb Jahren bin ich für die Informations- und Kommunikationspolitik des Europäischen Parlaments
verantwortlich. Wie bereits erwähnt bin ich davon überzeugt, dass wir den Mehrwert der EU (be)greifbarer machen, die Abläufe und Entscheidungsmechanismen noch besser erklären und die
Bürgerbeteiligung intensivieren müssen. In meinen Zuständigkeitsbereich fällt u.a. auch der wissenschaftliche Dienst (EPRS) als interne Forschungsabteilung und hauseigene Denkfabrik und ich
übernehme die Vertretung des Präsidenten, David Sassoli, für die EFTA-Staaten sowie NATO, OSZE, Weltbank und IWF. Mein Ziel ist es, die Europäische Union zum Sprecher des Kontinents in der Welt
zu machen.
Seit vielen Jahren habe ich den Eindruck, dass EU-ParlamentarierInnen tendenziell harmonischer und produktiver in der überparteilichen Arbeit engagiert sind als zum Beispiel die
Abgeordneten im Ö-Nationalrat. Stimmen Sie zu und falls ja, woran könnte das liegen?
Das sehe ich genauso. Ich bin ein Verfechter von überparteilicher Zusammenarbeit, weil wir die großen Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam lösen können. Genau dafür arbeiten wir im
Europäischen Parlament und bei den meisten Abgeordneten herrscht ein ähnliches Selbstverständnis. Auch in einer Fraktion gibt es unterschiedliche Blickwinkel, das ist mit Sicherheit anders als in
einem Parlamentsklub. Man ist es also gewöhnt in der Fraktion, in den Ausschüssen, in den Arbeitsgruppen einen gemeinsamen Konsens zu finden. Vielleicht sind wir im EU-Parlament auch etwas
lösungsorientierter und weniger parteitaktisch eingestellt.
Wo sehen Sie die gravierendsten Herausforderungen der Europäischen Union nach innen und nach außen, in den nächsten Jahren?
Nach innen das, was ich schon mehrfach gesagt habe: Wir müssen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen. Die Entscheidungsfindung bei der Frage, wer der nächsten Kommission
vorsitzt, hat das Vertrauen der Bevölkerung zum Beispiel nicht gerade gestärkt. Die Art und Weise, wie hier vorgegangen wurde, habe ich auch immer verurteilt. Das war aber nicht der Beginn. Seit
Jahren erleben wir eine Art ‚Brüssel-Bashing‘ von manchen nationalen Medien und Politikern. Das Phänomen, etwas in Brüssel zu tun, aber sobald man in Wien ankommt etwas ganz Anderes zu sagen, ist
leider ein Bekanntes. Hier würde ich mir mehr Ehrlichkeit wünschen. Nach außen müssen wir vermehrt mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Mein Leitspruch war immer: Die Europäische Union muss zum
Sprecher des Kontinents auf der Welt werden. In wichtigen außenpolitischen Fragen, z.B. in der UNO, sollten wir gemeinsam Entscheidungen treffen. So verhindern wir einen Fleckerlteppich an
Positionen innerhalb der Gemeinschaft.
Updates Dr. Othmar Karas (Links)
Standpunkt des Europäischen Parlaments zur Konferenz über die Zukunft Europas (Aussprache)
15-01-2020 - P9_CRE-PROV(2020)01-15(3-079-0000)
Beiträge zu Aussprachen im
Plenum
14-11-2019 - P-003845/2019 - Kommission
24-10-2019 - P9_CRE-PROV(2019)10-24(4-065-0000)
Beiträge zu Aussprachen im Plenum
Das vorgeschlagene neue Strafrecht Indonesiens
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