Das Leben von Hans Christian Cars: Vom DDR Fluchthelfer zum Direktor in mehreren internationalen Organisationen. Sein Buch "Mauerflieger" erschien zum 30. Jahre

Gratuliere zur Veröffentlichung des Buches "Mauerflieger", nun auch auf Deutsch. Was ist die Geschichte dahinter?

 

Rechtzeitig zum 30. Jahrestag des Mauerfalls haben meine Frau und ich das Buch „Mauerflieger“ herausgegeben, um über ihre Flucht aus der DDR zu berichten. Diese fand bereits im August 1966, d.h. vor 53 Jahren, statt. Getroffen hatten wir uns im April 1965. Als wir uns bewusst wurden, dass wir ein gemeinsames Leben führen möchten, standen wir vor der Frage, wie ich ihr zur Flucht verhelfen könnte. Vier Jahre nach dem Mauerbau waren schon alle bisher benutzten Fluchtwege strengstens bewacht. Nach ernsten Überlegungen kamen wir zum Schluss, dass ich das Fliegen erlernen sollte, um Isolde von einer Wiese östlich des Eisernen Vorhangs zu holen und so über die Grenze nach Westdeutschland zu fliegen.

Sobald ich nach acht langen Monaten endlich meinen Flugschein erhielt, reiste ich mit dem Zug nach Wien, erstens um die Verhältnisse an der Grenze und die Platzierung der Wachtürme zu erforschen, zweitens um eine zum Landeplatz geeignete Wiese zu finden und drittens, um einen Flugzeug zu mieten, das ich in Salzburg fand und nach Schwechat flog.

Zurück in Wien telegrafierte ich Isolde, dass sie sich am nächsten Tag per Zug nach Brünn begeben sollte. Dort holte ich sie bei per Auto ab, führte sie zur erwähnten Wiese, wo sie die Nacht verbringen sollte, bis ich sie - wie geplant - in der Morgendämmerung mit dem Flugzeug abholen würde. Es kam aber anders. Ein furchtbares Unwetter breitete sich über ganz Österreich aus, was mich vom Abheben hinderte. Erst viel später als geplant bekam ich meine Starterlaubnis. Ich hob sofort ab, überquerte die Donau, dann im Tiefflug den kleinen Grenzfluss namens March, links von mir ein Wachturm, in diesem ein paar erschrockene Wachposten, die ich auf Augenhöhe passierte. Und schon war ich in der Tschechoslowakei! Rasch fand ich die Landestelle, suchte das besagte Feld verzweifelt nach Isolde ab. Aber vergebens, sie war schon weg.

Pläne sind manchmal notwendig, manchmal muss man sie ändern, nur nicht aufgeben. Am nächsten Morgen schien wieder die Sonne. Wir machten einen neuen Versuch...

„Mauerflieger - Eine grenzenlose Liebe im Schatten des Kalten Krieges“ kann als Kindle Ausgabe und als gebundene Version auf Amazon bestellt werden.

 
Die spektakuläre Fluchthilfe aus der DDR blieb aber nicht Ihr einziges internationales Abenteuer...

Nach meiner wirtschaftswissenschaftlichen Promotion wurde ich 1977 vom Verteidigungsministerium angestellt für das Analysieren wirtschaftlicher Probleme, u.a. mit Fragen bezüglich des damals geplanten Kampflugzeugmodells namens Gripen. Eine weitere Aufgabe bestand darin, im Auftrag des Generalsekretärs der Vereinten Nationen eine von ihm eingesetzte Expertengruppe zu leiten, Methoden zu entwickeln, um Militärausgaben sowohl im Zeitverlauf als auch zwischen Ländern vergleichen zu können. Dieser Auftrag wurde planmäßig ausgeführt. Durch die Arbeit dieser Gruppe, die Teil des Abrüstungsprogramms der UNO war, hoffte man, sowohl die Sowjetunion als auch die osteuropäischen Staaten zu mehr Transparenz in Bezug auf ihre Militärausgaben zu bewegen, was aber Anfang der 1980er Jahre nicht gelang.

Ein paar Jahre später erhielt ich eine Stelle als Finanzchef bei UNRWA, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge. Als Finanzchef trug ich auch die Verantwortung für Logistik und Beschaffung zwecks Versorgung der Flüchtlinge mit Schulbedarf, Medikamenten und Lebensmitteln. Das alles war für mich eine spannende und lehrreiche Herausforderung.

Der Auftrag der UNRWA bezog sich auf Libanon, Syrien, Jordanien, das Westjordanland und Gaza. Dort waren ihre hauptsächlichen Aufgaben, Grundschul- und Berufsausbildung zu gewährleisten, medizinische Grundversorgung sicherzustellen und die Bedürftigsten mit Lebensmitteln und sozialen Leistungen zu unterstützen. Unsere Zielgruppe bestand aus rund zwei Millionen registrierten Flüchtlingen, die von etwa 20.000 lokal angestellten Lehrern, Ärzten, Krankenschwestern und Sozialarbeitern versorgt wurden. Mit Ausnahme der Gehälter der ca hundert internationalen Mitarbeiter, wurde das gesamte Unternehmen durch freiwillige Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert.

Wir konnten also nicht von einem Jahr zum anderen genau wissen, mit welchem Einkommen wir rechnen konnten, manchmal nicht einmal für das laufende Jahr. Der Cashflow musste immer wieder geprüft werden und die Planung flexibel sein. Als die erste Intifada 1987 ausbrach, wurden spezielle Krisenprogramme beschlossen, die mit zusätzlichen Spenden finanziert wurden.

Auf Grund des langjährigen Krieges in Syrien, der Entscheidung der USA, ihre Beiträge an UNRWA zu reduzieren, und der Forderung Netanjahus, UNRWA zu schließen, hat sich ihre Lage drastisch verschlechtert.

Gegenwärtig dient UNRWA einer Zielgruppe von 5,5 Millionen Flüchtlingen, Nachkommen der Palästinenser, die aufgrund des Krieges 1948, als Israel gegründet wurde, aus ihrer Heimat flüchteten. Zu dieser Gruppe gehören auch jene, die als Folge des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967 und der daraus resultierenden israelischen Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens aus diesen Gebieten flohen.

Die Zahl der registrierten Flüchtlinge steigt von Jahr zu Jahr aufgrund der hohen Geburtsraten. Im Laufe der Jahre haben sich ihre Situation, sowie Bedürfnisse und Bedingungen in den Ländern und Gebieten, in denen sie leben, sehr unterschiedlich entwickelt. Infolge der ständig wachsenden Zahl registrierter Flüchtlinge steigen auch die Verantwortung, Aufgaben und Kosten der UNRWA. Die Vereinten Nationen dürften sich wohl bald mit der Frage befassen müssen, wie lange noch das Alles von UNRWA getragen werden sollte und wie man den Palästina-Flüchtlingen, vor allem in Syrien und Gaza, zu einem nachhaltig besseren Leben verhelfen könnte.

Im September 1993 wechselte ich zur Europäischen Sicherheitskonferenz (ESK), die 1972 in Helsinki ins Leben gerufen wurde. Dort gelang es den Vertretern östlicher und westlicher Staaten, sich über die so genannte Schlussakte von 1975 zu einigen, darunter die Unverletzlichkeit der Grenzen und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten aber auch die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde beschlossen, aus der ESK die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit Sitz in Wien zu bilden, wo es bereits eine Konferenzabteilung und ein Zentrum für Konfliktverhütung gab. In Wien sollte auch ein Sekretariat gebildet werden. Darüber hinaus gab es ein Archiv in Prag, ein Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte in Warschau und einen Hohen Kommissar für nationale Minderheiten in Den Haag.

Meine Aufgabe war es, all diese Einheiten mit ihren verschiedenen Verwaltungs- und Finanzsystemen zu einer gemeinsamen Verwaltungsstruktur zusammenzufassen sowie ein gemeinsames Finanzsystem entwickeln zu lassen, um auch damit den Missionen der neuen Organisation zu dienen, deren Zahl in verschiedenen Krisengebieten rapide zunahm. Auf einem Budapester Gipfel im Dezember 1994 wurde beschlossen, die OSZE am 1. Januar 1995 zu gründen. Dort setzte ich meine Arbeit als Direktor für Verwaltung und Finanzen bis September 1997 fort. Seitdem ist die OSZE in der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit zwischen Ost und West für die Friedenssicherung in Europa immer wichtiger geworden. Ich bin stolz, an seiner Entstehung beteiligt gewesen zu sein.

Kurz nach meinem Abschied von der OSZE erhielt ich eine neue Stellung bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), fünf Jahre danach noch einen Auftrag bei der OSZE mit ähnlichen Verantwortungsbereichen wie vorher, doch diesmal an ihrer Mission in Kosovo mit etwa tausend Mitarbeitern. Im September 2004 trat ich in den so genannten Ruhestand – um mich tatsächlich zur Ruhe zu setzen, habe ich bisher doch keine Zeit gehabt.