Das Thema Korruption ist so alt wie die Menschheit selbst. Egal in welchem politischen System sich eine Nation einreiht, es wurden immer Möglichkeiten
gefunden, auf unmoralische bzw. illegale Weise Vorteile zu erzielen. Transparency International richtet sich nach der Definition, wo Korruption als der „Missbrauch anvertrauter Macht
zu privaten Nutzen oder Vorteil“ bezeichnet wird.
Die Frage, wo Korruption beginnt und wo die oft zitierte „schiefe Optik“ endet, kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Übergänge sind fließend und hängen von der jeweiligen Gesetzgebung und
der Interpretation des Richters ab, sofern überhaupt ein Richter zum Einsatz kommt.
Man muss nicht unbedingt in die Staaten des ehemaligen Ostblocks blicken, um zahlreiche Beispiele von vielleicht nicht strafrechtlich, aber durchaus ethisch bedenklichen Vorgängen zu finden.
Korruption kann in jedem Umfeld gedeihen, dennoch können einige Faktoren das Auftreten illegaler Machenschaften begünstigen.
Eine schwach entwickelten Zivilgesellschaft, eine noch nicht voll entwickelte Demokratie, kombiniert mit einer Art „Schmiergeld Gewohnheitskultur“ sind die Hauptbestandteile der
„Korruptionsessenz“. Dabei ist Korruption nicht nur auf die Eliten begrenzt. In manchen staatlichen Positionen verfügen Akteure zwar über gewisse Machtbefugnisse, bekommen aber nur eine
minimale finanzielle Abgeltung. Das können Beamte, Polizisten, aber auch Parlamentarier sein.
Mustafa Najem, Abgeordneter in der Ukrainischen Rada, Journalist und Maidan Aktivist der ersten Stunde, prangert beispielsweise an, dass die schmalen Abgeordnetengehälter nicht
annähernd für die elementaren Lebensbedürfnisse ausreichen. Illegale Nebengeschäfte seien so beinahe vorprogrammiert. Ähnliches gilt für Polizei und Zollbehörden, weshalb die derzeitige
Restrukturierung als einer der Knackpunkte im ukrainischen Reformprozess gilt.
Es macht nicht selten den Anschein, als wäre im Gehaltschema vieler GUS-Staaten der „Korruptionsanteil“ bereits einkalkuliert. In höheren Ebenen, wo das Argument der Niedriglohnempfänger nicht
mehr greift, ist es hauptsächlich fehlende Transparenz, die Gelegenheit zu dubiosen Geschäften liefert. Hat sich das Netzwerk der Korruption entsprechend ausgebreitet, sind auch die potentiellen
Kontrollorgane, allen voran die Judikatur kein ausgleichendes Element mehr. Zwar sagt man allgemein, dass zu jedem korrupten Vorgang zwei Täter gehören, doch können „Täter“ auch gleichzeitig
Opfer sein.
Wenn die Polizei ungerechtfertigte Forderungen stellt, oder eine akzeptable Note an einer Hochschule nur mit entsprechenden „Zuwendungen“ zu erwerben ist, sinkt bei vielen die Motivation, sich
den gängigen Vorgängen zu widersetzen.
Unpräzise Messbarkeit
Kann man Korruption messen? Vergleicht man den Transparency International Corruption Index mit der aktuellen Ernst & Young Studie, zeigen sich große Unterschiede im Nationenranking. Zwar
bezieht sich Transparency International auf die ganzheitliche Wahrnehmung und Ernst & Young auf den Managementbereich, trotzdem drängt sich die Frage auf, wie repräsentativ Umfragen zu
dieser heiklen Thematik überhaupt sein können. „Gefühlte Korruption“ beinhaltet schließlich, dass Tatbestände entweder aufgedeckt wurden, oder die Befragten konkrete Verdachtsfälle kennen. Alle
geschickt verschleierten Fälle fließen mangels Kenntnis in die subjektive Wahrnehmung der Befragten nicht entsprechend ein.
Rankings können also nur eine Tendenz und keine präzise Messung des tatsächlichen Ausmaßes zeigen. Dabei bedeutet ein guter Platz im Ranking keinesfalls, dass es nicht in der Vergangenheit
zu massiven Korruptionsfällen gekommen ist oder in der Zukunft noch kommen kann.
Auswirkung und Gegenmaßnahmen
Korruptionsexzesse treffen eine Gesellschaft auf vielen Ebenen. Gesteigerte Armut entsteht ausgerechnet bei jenen Personen, die sich der „Kettenreaktion“ illegaler Transaktionen nicht anschließen
wollen. Auch das Image eines Landes leidet unter mangelnder Transparenz und Rechtstaatlichkeit. Das Investitionsklima wird nachhaltig geschädigt und die ökonomische Entwicklung und Effizienz
gebremst. Prominentes und aktuelles Beispiel ist die Ukraine, deren Zukunft, ganz unabhängig vom ungelösten Donbass Konflikt, ungewiss ist.
Zwar hat sich bereits seit Jahren ein kollektives Bewusstsein zum Korruptionsproblem durchgesetzt, doch muss dieses Bewusstsein auch in individuellen Situationen entsprechend umgesetzt
werden. Diese noch aus Sowjetzeiten bekannte „Passivität“ der Zivilbevölkerung wird aber erst dann abgebaut werden, wenn auch die Rahmenbedingungen in Richtung Transparenz und Rechtstaatlichkeit
erfolgreich reformiert worden sind.