Aussendung: Reaktionen in den Sozialen Medien auf die Ukraine-Reise der Außenministerin

Disinfo Resilience Network

 

Die erste Reise in ein Nicht-EU-Land führte die neue österreichische Außenministerin Beate Meinl-Reisinger in die Ukraine. Die Social-Media-Kanäle der Medien, der Ministerin selbst sowie einige weitere Plattformen berichteten über die Reise und gaben Einblicke.In den Kommentarspalten kam es daraufhin zu massiven Angriffen und ablehnenden Kommentaren. Die Reise würde der Neutralität widersprechen (was faktisch falsch ist), die Ministerin würde lediglich die „EU“ oder die „NATO“ vertreten, der eigentliche Kriegstreiber sei die EU bzw. Zelensky, und „die Ukraine sei schuld und nicht Russland“ – dies waren gängige Narrative, die dort zu lesen waren. In einigen Fällen wurde sogar Geschichtsfälschung betrieben: So wurden die Ereignisse von 2014, als Russland bereits eine (örtlich begrenzte) Invasion in der Ostukraine durchführte, als „ukrainischer Bürgerkrieg“ dargestellt. Zudem wurde die Ukraine als „Naziland“ verunglimpft, und es wurden verschiedene Rechtfertigungen für die russische Vollinvasion im Jahr 2022 geliefert. Darüber hinaus gab es unzählige Beispiele für Hassrede gegen die Ministerin und gegen Ukrainer, Täter-Opfer-Umkehr sowie Verschwörungstheorien.

Der Umfang dieser Kommentare war in einigen Postings enorm: Sie überstiegen teils deutlich die 50 %-Marke, in manchen Fällen sogar die 90 %-Marke. Dies kann keinesfalls als repräsentatives „Meinungsbild“ der österreichischen Bevölkerung interpretiert werden, denn das, was sich in den Kommentarspalten manifestierte, hat unterschiedliche Ursprünge: Organisierte, einheimische „Trolle“, pro-russische Trollfarmen, die weltweit operieren, sowie reale Menschen mit entsprechendem ideologischen Hintergrund.

Die als real identifizierbaren Profile weisen in vielen Fällen einen rechtspopulistischen oder rechtsextremen, manchmal auch einen linksextremen Hintergrund auf. Häufig lassen sie sich jedoch nicht eindeutig im politischen Spektrum verorten, sondern haben verschwörungstheoretische Tendenzen oder sind Teil von sogenannten "Querfront"-Bewegungen. Auffällig ist zudem, dass auf der Plattform X bei mehreren Postings mehr als 50 % der Kommentare von Profilen stammen, die erst nach 2022 – also nach Beginn der russischen Großinvasion – registriert wurden und keinen Klarnamen tragen. Dies trifft, wenn auch nicht in demselben Ausmaß, auch auf viele Instagram-Kommentare zu.

„Trollangriffe“ verfolgen unterschiedliche Ziele


Systematische Angriffe auf derartige Postings konnte man bereits vermehrt im Jahr 2014 beobachten – nach der russischen Annexion der Krim und der pseudoverdeckten Aggression Russlands in den ukrainischen Oblasten Luhansk und Donetsk. Auf diese Weise wurde versucht, Journalistinnen und Journalisten sowie Vertreter der Politik einzuschüchtern und zu verhindern, dass kritisch über Russland berichtet wird. Die Verbreitung von antiukrainischen, antieuropäischen und antiwestlichen Narrativen diente nicht nur der Beeinflussung der Öffentlichkeit, sondern sollte den Entscheidungsträgern auch fälschlicherweise vermitteln, dass die Mehrheit eine russlandfreundliche und unkritische Haltung gegenüber der Politik des Kremls verfolgt. Man kann also von der Manipulation der öffentlichen Meinung sprechen – aber ebenso von einer manipulierten Darstellung einer angeblichen öffentlichen Meinung. Diese Einflussoperationen werden insbesondere bei Staatsbesuchen oder nach einschneidenden Ereignissen (wie z. B. dem kontroversen Besuch von Präsident Zelensky bei Präsident Trump) mit Hochdruck durchgeführt. Ziel ist es, die Stimmung zum Kippen zu bringen oder zumindest den Anschein zu erwecken, dass sie bereits gekippt sei.

Daniel Fast, Mitglied des Disinfo Resilience Networks, der die Recherche unterstützt hat: „Diese Trolle plappern russische Propaganda nach und unterstützen damit den eigentlichen Aggressor – Russland. Sie verdrehen die Realität, inszenieren sich als Opfer und werfen anderen 'Kriegstreiberei' vor. Besonders problematisch ist ihre verzerrte Sicht auf Neutralität: Sie setzen sie mit Sicherheit gleich und ignorieren, dass sie keinen Schutz vor einem imperialistischen Aggressor wie Russland bietet. Zudem verwechseln sie militärische Neutralität mit Gesinnungsneutralität gegenüber Völkerrechtsbrüchen. Österreich braucht mehr Resilienz gegen Desinformation.“

 

Pro-russische Einflussoperationen, durchgeführt von Strategen in Russland und unterstützt von Proxies, Einflussagenten, sogenannten „nützlichen Idioten“ und politischen Nutznießern, verfolgen seit Jahren das gleiche Ziel: die Dämonisierung der Ukraine, die Spaltung und langfristige Schwächung der Europäischen Union sowie die maximale strategische Unterstützung für den russischen Imperialismus, der sich auf alle Nachbarstaaten Russlands erstreckt – und teilweise sogar darüber hinaus. Das Disinfo Resilience Network betont regelmäßig, dass russische Einflussoperationen weit über den Social-Media-Bereich hinausgehen. Einflussagenten, pro-russische Narrative und Propaganda tauchen nicht nur in sozialen Netzwerken auf, sondern finden sich auch in Talkshows, Paneldiskussionen, einschlägigen Vereinen, Büchern und sogar in den Aussagen renommierter Professoren.

 

Allerdings sind bei besonders tagesaktuellen Ereignissen Social-Media-Einflusskampagnen von besonderer Bedeutung, da sie eine schnelle und koordinierte Reaktion des Propaganda-Netzwerks ermöglichen. In solchen Situationen können innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Profilen „in Bewegung“ gesetzt werden, um gezielt Desinformation zu verbreiten, die öffentliche Meinung zu manipulieren oder sogar Druck auf Entscheidungsträger auszuüben.

 

Rückfragen & Pressekontakt

 

Dietmar Pichler

Director Disinfo Resilience Network

+4369917210001

d.pichler@borsh.eu

www.disinforesilience.eu 

Auszug der Postings welche als Reaktion zur Ukraine-Reise der Außenministerin platziert wurden
Auszug der Postings welche als Reaktion zur Ukraine-Reise der Außenministerin platziert wurden